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IMPULS | 09.2024

Das NOffice: Warum es in Zukunft keine Büros mehr braucht

Das Büro der Zukunft ist auf die emotionalen Bedürfnisse der Menschen abgestimmt – eine Mischung aus urbaner Farm und Las Vegas.

Machen wir uns nichts vor: Freiwillig wird keiner mehr ins Büro kommen. Warum auch? Im Home Office arbeiten die meisten fokussierter und das in individueller Wohlfühlatmosphäre. Nichtsdestotrotz halten Unternehmen – wenn auch mit kleineren Flächen – an ihren Standorten fest oder eröffnen neue Büros. Die Erfahrung, dass Kreativität und Kultur durch ein physisches Miteinander begünstigt wird, ist dabei ein zentrales Motiv. So werden die Büros jetzt also bunter gemacht, Kreativ- Spaces eingerichtet und Zonen ausgewiesen, die für verschiedene Formen des Arbeitens geeignet sind.

Das ist gewiss ein Schritt in die richtige Richtung. Denn das kreative Brainstorming braucht ein anderes Setting als das fokussierte Erstellen einer Bilanz.

Und doch wird auch bei diesen Konzepten an der räumlichen Vorstellung des Büroarbeitsplatzes festgehalten. Für eine wirkliche Neuerfindung des Büros, die angesichts des radikalen Wandels unserer Welt Not tut, lohnt es sich, auf die veränderten Lebensweisen und Bedürfnisse der Menschen zu blicken.

Menschen wollen Teil eines größeren Ganzen sein

Das zentrale Bedürfnis, das Menschen wieder in die Büros bringen wird, ist sozialer Austausch. Wir sind nun mal soziale Wesen, die sich über gelebte Beziehungen gegenseitig unterstützen, stärken, voneinander lernen – und das geht digital nur bedingt. So entstehen Defizite, die sich massiv auf die Gesundheit niederschlagen.

Immer mehr Menschen leiden unter Einsamkeit und das macht sie krank. Die Weltgesundheitsorganisation weist dem Thema globale Priorität zu. Eine Studie des Ministeriums für Gesundheitspflege und Soziale Dienste (USA) aus dem Jahr 2023 kommt zu dem Ergebnis, dass soziale Isolation so schädlich sein kann wie 15 Zigaretten am Tag.

Und es leiden vor allem die jüngeren Generationen unter Einsamkeit. In Deutschland fühlt sich bei den 18- bis 29-Jährigen rund ein Viertel ständig einsam, bei den über 60-Jährigen sind es nur 11 Prozent (Statista 2024).

Im NOffice der Zukunft wird gemeinsam geerntet

Wie heißt es so trffend über die Generation Z: „overstimulated but under-socialized“. Was vielen jungen Menschen fehlt, sind echte menschliche Begegnungen. Genau hier werden die NOffices der Zukunft ansetzen. Es geht weniger um die Ästhetik, sondern um das Social Design. Was lässt Menschen zueinander finden und sie als Teil eines größeren Ganzen empfinden?

Eine kreative Antwort darauf liefert der japanische Personaldienstleister Pasona mit seinem Headquarter in Tokio. Auf neun Stockwerken und 20.000 Quadratmetern verteilen sich verschiedenste „urban farming facilities“. Über 200 Sorten Früchte und Gemüse werden hier angebaut – und von den Mitarbeitenden gemeinsam geerntet und in der Kantine verarbeitet. Mehr Gemeinschaftserlebnis geht nicht.

Arbeiten heißt in Zukunft professionell spielen

Ein weiteres zentrales Bedürfnis der Menschen ist, sich als Mensch zu erfahren. Vor dem Hintergrund der KI-Revolution ist das nicht zu unterschätzen. Wie das World Economic Forum prognostiziert, benötigt die Hälfe der globalen Workforce ein umfassendes Reskilling. Die meisten Tätigkeiten werden von der KI übernommen. Was bleibt uns also: die menschliche Kreativität.
Diese zu wecken, zu fördern und zu lenken, wird zu einer zentralen Aufgabe im NOffice der Zukunft. Es muss inspirierende Umgebungen liefern und die Menschen zum „Spielen“ motivieren. In unserer hochgradig digitalisierten und vernetzten Gesellschaft entsteht eine unübersichtliche, volatile Realität. Wir können dieser nur durch ständiges Experimentieren begegnen. „Playfulness“ wird daher zu einer neuen Handlungsmaxime für Organisationen.

Das NOffice der Zukunft bietet maximalen Return on Inspiration

Insgeheim belächeln wir sie ja, die Bürorutschen, die wir aus den Google-NOffices kennen. Warten wir mal ab, bis wir sie auch bei der Deutschen Bank finden. In Zukunft werden noch sehr viele spielerische Themenwelten für das Arbeiten von morgen entstehen. Sie unterstützen die Menschen dabei, in bestimmte – für das Ziel ihrer Tätigkeit dienliche – Stimmungen zu kommen: eine phantastische Unterwasserwelt für den Reiseanbieter, die historische Kulisse von Schloss Versailles für die französische Luxusmarke. Wie trist sind die verwaisten Retorten-Bürostädte vor den Toren von Großstädten. Wie bunt und inspirierend könnten sie sein, wenn sie in ein Mini Las Vegas zum Arbeiten umgestaltet würden? Hoffen wir drauf.

Andreas Steinle