NEW WORK | 12.2023
New Work beantwortet die Frage nach Produktivität im digitalen Zeitalter
„Ein Unternehmerland am Limit“ titelte das Handelsblatt. Da wirkt es zunächst paradox, über New Work zu sprechen, was als Konzept von vielen Managern und Managerinnen nach wie vor in die Spaßecke geschoben wird. Allerdings nur so lange, bis man den populären, fachlich oberflächlichen New-Work-Diskurs zu Homeoffice und Workation hinter sich lässt und sich ernsthaft mit der Frage beschäftigt, unter welchen Bedingungen Menschen neue Lösungsansätze entwickeln und ihre Produktivität steigern. Aus dieser Perspektive erscheint es eher verwunderlich, dass im Management die Annahme vorherrscht, dass mit alten Lösungen neue Probleme gelöst und Krisen bewältigt werden können.
Unser Gehirn fokussiert auf Krise
Der Umstand, dass unser Gehirn mehr Rezeptoren für Negatives als für Positives aufweist, lässt Menschen in Drucksituationen überwiegend auf Bewährtes zurückgreifen, intuitiv Erfolgsmodelle der Vergangenheit aktivieren und auf die problematischen Umstände fokussieren. Das jedoch verhindert die so notwendige Transformation in deutschen Unternehmen.
Die in der deutschen Wirtschaft durchgeführten Befragungen zu Zufriedenheit, Engagement und Bindung von Mitarbeitenden stellen den Unternehmen regelmäßig ein schlechtes Zeugnis aus. Die Hälfte der Beschäftigten würden ihre Arbeit aufgeben, wenn sie sich das finanziell leisten könnten; dieses Umfrageergebnis bildet den Tiefpunkt der konstant schlechten Ergebnisse der letzten 20 Jahre. Auch die emotionale Bindung ist – trotz aller Zufriedenheitsmaßnahmen – auf dem tiefsten Stand seit 2012.
Das deutet schon an, dass die oberflächliche Renovierung von Arbeit nicht die gewünschten Effekte bringt. Weder in der Zufriedenheit und Bindung der Mitarbeitenden noch in der Steigerung der Leistung(-sorientierung).
New Work als Produktivitätstreiber
Bei New Work geht es nicht um Zufriedenheit. Es geht um Produktivität, Wertschöpfung und Leistung. In diese Tiefe kommt der Diskurs allerdings meist nicht. Ein Beispiel: Im Thema Home-Office wird in der Regel immer noch binär gedacht und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und das Einsparen von Kosten stehen im Vordergrund. Wertschöpfung im digitalen Zeitalter ist jedoch mehr denn je Teamarbeit und Kooperation, und die Vereinzelung der Mitarbeitenden, die durch einige Home-Office-Konzepte entsteht, schadet daher derselben.
Das Konzept Home-Office muss vielmehr aus der Perspektive der Wertschöpfung und Leistungserbringung gedacht werden: Wieviel Anwesenheit brauchen wir funktional, um eine optimale Leistung zu erbringen? In zweiter Linie stellen sich psychologische Fragen: Wieviel Anwesenheit braucht es, damit Bindung und Innovationskraft im Team und eine optimale Kooperation zwischen den Teams entstehen? Erste Studien belegen, dass die Innovationskraft unter der Kommunikation per Video leidet. Und nicht zuletzt geht es auch um Flexibilisierung, die in jedem Fall geboten werden sollte, aber eben im Spannungsfeld aller drei Perspektiven.
Radikale Industriezeitalter-Inventur
Um die Effekte von New Work zu heben, müssen zudem jegliche überflüssige Bürokratie, veraltete Prozesse und Hierarchien aussortiert und Teamautonomie und dezentrale Verantwortung auf struktureller Ebene etabliert werden. Bayer-Chef Bill Anderson macht es vor: 1362 Seiten voller Konzern-Regeln, starrer Entscheidungsprozesse und langwieriger Budgetprozesse werden abgeschafft: 95 % aller Entscheidungen werden in Zukunft vom Team selbst getroffen. Mit anderen Worten: eine Industriezeitalter-Inventur bis in die Kapillaren. So werden auch Führungskräfte produktiver, weil sie von Kontroll- und Reporting-Aufgaben entlastet werden. New Work muss ein neues Verständnis von Leistung etablieren, welches nicht mehr tayloristischen Grundprinzipien folgt, sondern einem modernen organisationsdynamischem Verständnis von optimalen Arbeitsbedingungen.
Unser Fazit
New Work muss aus funktionaler (Leistungs-)perspektive betrachtet werden und zu einem neuen Verständnis von produktivitätsfördernder Gestaltung von Arbeit führen. Denn Leistungs- und Kompetenzerleben sind die Basis von Bindung und Zufriedenheit.
Vera Starker