IMPULS | 05.2025
Sprachliche Vielfalt
Jeder Mensch hat eine individuelle Art zu sprechen.
Diese individuelle Art setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen. Wortschatz, Grammatik, Satzbau und die Verwendung von Fremdwörtern sind sehr unterschiedlich.
Sprachliche Vielfalt ist wichtig und schön, weil sie viel über jeden Einzelnen aussagt. Viel zu selten wird über ein Thema nachgedacht, das fast alle betrifft, vor allem in einer Agentur, die über die ganze Republik verteilt ist.
Deshalb heute eine Liebeserklärung an die Dialekte.
Dialekte werde häufig belächelt, nicht ernst genommen, als etwas Persönliches abgetan. Genau das sind sie: persönlich.
Grund genug, sich einmal Gedanken darüber zu machen und das Thema aufzuwerten.
Was genau machen Dialekte mit einem Team?
Fühlt man sich einander näher, wenn man denselben Dialekt spricht?
Kann man sich im Dialekt präziser und klarer ausdrücken?
Gibt es sogar Dinge, die man nur im Dialekt sagen kann?
Bedeutet das im Umkehrschluss, dass sich Kolleginnen und Kollegen, die keinen Dialekt sprechen, ausgeschlossen fühlen? Oder zumindest bestimmte Witze oder sprachliche Spitzen nicht verstehen?
Es kommt durchaus vor, dass sich Kolleginnen und Kollegen, die denselben Dialekt sprechen, stärker zueinander hingezogen fühlen. Vielleicht verstehen sie sich sogar besser.
Dialektinseln im Team
Gesellt sich also der Schwabe eher zum Schwaben und die Hessin zur Hessin? Entstehen so kleine „Dialektinseln“?
Oft werden Menschen, die Dialekt sprechen, als besonders authentisch und herzlich wahrgenommen. Das schafft Vertrauen und verleiht der jeweiligen Umgebung ein unverwechselbares Kolorit, eine Art Heimatgefühl.
Ein schwäbisches „Des kriech ma scho hi!“ oder ein bayrisches „Mei, des pack ma!“ klingt doch gleich viel zugänglicher, oder? Die rheinische Kollegin erzählt vielleicht fröhlich „Et hätt noch immer jot jejange!“, und schon ist das Eis gebrochen.
Gemeinsam über diese Eigenheiten zu schmunzeln, schafft eine eigene Teamdynamik, fördert Vertrauen und Lockerheit.
Zwischen Sympathie und Stereotyp
Doch so charmant Dialekte auch sein mögen, nicht immer bringen sie nur Positives mit sich. Zudem werden unterschiedliche Dialekte unterschiedlich wahrgenommen. Sie werden unterschiedlich stark geschätzt oder abgelehnt.
Laut Statista führt das Bayerische mit 26,2 Prozent das Ranking der beliebtesten Dialekte an, gefolgt vom Norddeutschen mit 17,1 Prozent, dem Kölschen mit 15,2 Prozent und dem Schwäbischen mit 12,7 Prozent.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/100/umfrage/beliebte-dialekte/
Eine deutsche Metastudie hat gezeigt, dass Menschen, die im Vorstellungsgespräch Dialekt sprechen, geringere Chancen auf den Job haben. Dieselbe Studie zeigt auch, dass Menschen ohne Dialekt als kompetenter wahrgenommen werden, auch wenn sie das gar nicht sind.
Eigentlich sollte es unnötig sein, darauf hinzuweisen, aber die Studie hat mich daran zweifeln lassen, ob es wirklich so unnötig ist. Daher: Dialekte sind sozial erworben und haben keine Aussage über die Fähigkeiten einer Person.
Dialekt als kognitiver Gewinn
Interessanterweise wird das Sprechen von Dialekt und Hochdeutsch als eine Form der Zweisprachigkeit angesehen. Die Vorteile seien ähnlich wie beim Sprechen zweier Sprachen. Die erlernte Unterscheidung der Sprachebenen fördert die Auffassungsgabe und das abstrakte Denken.
Auch in der Gebärdensprache gibt es Dialekte. Die Dialekte sind teilweise so stark, dass sich Gebärdensprechende nicht fehlerfrei unterhalten können.
Dialekte sind mehr als Sprachgewohnheiten. Sie sind kleine kulturelle Schätze, die Geschichten erzählen, ein besonderes Gefühl vermitteln und Nähe schaffen, die Kommunikation und Zusammenarbeit prägen.
Marek Reichert